Verschwendete Lebenszeit

Insgesamt verschwenden Münchner Autofahrer im Stau rund 48 Stunden pro Jahr.

Quelle: süddeutsche.de

48 Stunden pro Jahr verschwendete Lebenszeit also. Morgens hin, nachmittags zurück. Sagt die Süddeutsche.

Doch, man könnte es mit Camus betrachten und sich glücklich schätzen. So wie Sysiphos immer wieder seinen Stein den Berg hinaufrollt, sinnlos, denn er weiß ja, dass der Stein ihm wieder entkommt und er die ganze Arbeit erneut erledigen muss – genau so fahre ich dreimal die Woche den Ring entlang, hin und zurück, und stehe unweigerlich und meistens im Stau. Ist diese Lebenszeit verschwendet? Oder, weil es mir, so wie Sysiphos, bewusst ist, dass ich das mache, obwohl ich weiß, dass ich meine Zeit dort verschwenden werde, kann ich damit glücklich sein?

Ja, ich kann.

Denn weil ich weiß, dass ich die Zeit dort verschwende, kann ich sie leidenschaftlich verschwenden. Statt zu jammern und zu wehklagen, kann ich aus dem Fenster schauen. Ich kann an einem kühlen Novembertag plötzlich Nebensonnen am Himmel entdecken oder dem Eichhörnchen zusehen, das am Straßenrand auf einem Baum herumturnt. Ich kann über lustige Kennzeichen schmunzeln, und ich kann im Kopf ganz viele Pläne schmieden, die Gedanken sind frei.

Und dann passiert es doch einmal: grüne Welle. Ferien. Und ich bin in nicht einmal 30 Minuten an meinem Arbeitsplatz. Und freue mich irrsinnig. Und bin gleichzeitig ein bisschen wehmütig, weil ich für all die schönen erfüllenden Gedanken gar keine Zeit hatte.

One Response to “Verschwendete Lebenszeit”

  1. Andreas sagt:

    Mir geht es ganz oft genau so, wenn sich der Hauptstadtwahnsinn auf den Strassen plötzlich auflöst und ich förmlich getragen werde zu meinem Ziel, in diesen Momenten überkommt mich diese Leichtigkeit und das sichere Gefühl, dass alles klappen wird. Ich freue mich sehr, dass es Dir gut geht und dass Du Pläne schmiedest und Wagnisse eingehst. Ab und zu schaue ich hier nach, heute wollte ich Dir auch Spuren hinterlassen. Lass es Dir gut gehen!

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